Die Ausdauer schleifen lassen – der grösste Risikofaktor für ein kurzes und qualitativ schlechtes Leben
Von: Marc Streitenbürger, ASVZ-Trainingsleiter sowie Leiter Athletik und Personal Training bei Functional Athletics | Ko-Produktion: Silvana Ulber, Leitung Kommunikation
Als Fortsetzung der Blog-Reihe über die metabolische Gesundheit vertiefen wir die einzelnen Aspekte in einer weiteren Reihe. Dabei beleuchten wir die Aspekte aus weiteren Perspektiven und zeigen Zusammenhänge und Abhängigkeiten auf. Warum wir dies (nochmals) tun? Weil wir überzeugt sind: Gesundheit ist das höchste Gut und jede Auseinandersetzung mit ihr ist wertvoll. Die Blog-Reihe besteht aus Auseinandersetzungen mit:
- Insulinresistenz und Diabetes Typ 2
- Übergewicht und Körperfett
- Kraft- und Muskeltraining
- Ausdauerleistungsfähigkeit
Folgende Take-Home-Messages lassen sich aus dem Beitrag zum Aspekt «Ausdauerleistungsfähigkeit» ziehen:
- Der grösste Risikofaktor für ein kurzes, ungesundes Leben ist eine geringe Ausdauerleistungsfähigkeit.
- Ausdauertraining hat auf alle Gesundheitsmarker des metabolischen Syndroms einen positiven Einfluss.
- Die Steigerung der Ausdauerleistungsfähigkeit von einem tiefem auf ein durchschnittliches Niveau kann die Sterblichkeit um bereits fast das 3-fache (bis zu 175 %) reduzieren.
- Verschiedene Massnahmen steigern die Ausdauerleistungsfähigkeit, regelmässiges Training ist der Schlüssel zum Erfolg.
Schlüssel zum Erfolg liegt in der Regelmässigkeit
Nicht ungesunde Lebensweisen wie Rauchen und Übergewicht stellen das grösste Risiko für ein kurzes und ungesundes Leben dar, vielmehr ist es eine schlechte kardiorespiratorische Fitness – also ein Herzkreislaufsystem mit geringer Leistungsfähigkeit. Die Ausdauerfähigkeit mittels regelmässiger Belastungen nur schon auf ein durchschnittliches Niveau anzuheben, reduziert die Sterblichkeit bereits um 175 % (!) (Mandsager et al., 2018). Im Vergleich dazu liegt die Reduktion der Sterblichkeit beim Rauchstopp (permanent und für immer) bei «lediglich» 40 %. Man stelle sich nur vor, man tut beides – die Auswirkungen auf die metabolische Gesundheit sind enorm.
Dem Rauchen widmen wir in diesem Blog aber keine weitere Zeile, wir fokussieren auf die Ausdauerleistungsfähigkeit. Wie im Muskel- und Krafttraining auch, liegt der Schlüssel zum Erfolg auch hier in der regelmässigen Stimulierung; im Gegensatz zum Krafttraining und dem Stimulieren des Muskels, bei der Ausdauerleistungsfähigkeit im Belasten des Herz-Kreislauf-Systems. Nur wenn die Belastungen regelmässig stattfinden, kann ein hoher VO2max-Wert (Messgrösse der Ausdauerleistungsfähigkeit) erreicht werden. Damit ist nicht der Wert selbst Grund, weshalb es sich mit hohem VO2max-Wert gesünder und länger lebt, sondern jemandes Effort, der zum Wert führt.
VO2max und die Gesundheit
Dabei eignen sich langsame und längere Belastungen in Kombination mit kürzeren und intensiveren Belastungen gut, um den VO2max-Wert zu verbessern. Anhand einer sinnvollen Strukturierung von Belastungs- und Erholungsphasen im Training, kann das ganze Spektrum an Volumen und Intensitäten genutzt werden. Das Beste daran ist: Man trainiert nicht ausschliesslich seine Ausdauerleistungsfähigkeit; denn Ausdauertraining
- hat nachweislich einen sehr positiven Einfluss auf den Blutdruck und das viszerale Körperfett. Einerseits, indem es davor schützt, aber auch indem es die negativen Konsequenzen rückgängig machen kann.
- hält die Blutgefässe elastisch.
- vermehrt die Mitochondrien (dort werden Fette und Kohlenhydrate zu Energie umgewandelt), welche dadurch auch ihre Funktion verbessern – das ist zentral für einen gesunden Stoffwechsel aller Gewebe.
- beeinflusst auch die Muskeln, das Gehirn und das Immunsystem sehr stark.
Ein weiterer nicht zu unterschätzender positiver Effekt von Ausdauertraining ist der sogenannte positive «Energieflux». Denn wenn die über die Nahrung aufgenommene Energie entweder zeitnah wieder verbraucht wird oder gesund im Muskel (Kohlenhydrate) und im Unterhautfettgewebe (Fett) abgespeichert wird, dann resultieren aus der Energiezufuhr keine negativen Konsequenzen. Vielmehr sorgt dann dieser positive Energieflux dafür, dass die Muskeln und die Organe wie beispielsweise die Leber insulinsensitiv bleiben und damit einer Insulinresistenz und einem anschliessenden Typ 2 Diabetes vorgebeugt werden kann. Nicht minder wichtig: Zufriedenheit? Ausgleich? Glücksgefühle? Wir könnten viele weitere positive Effekte nennen.
Wie bereits im Verlauf des Textes erläutert, sind für alle diese Auswirkungen auf die Gesundheit nicht Unmengen an Ausdauertraining notwendig. Bereits mit relativ wenig Aufwand können sichtlich grosse Effekte erzielt werden. Der zentrale Faktor und damit Schlüssel zum Erfolg ist die Regelmässigkeit.
Wie soll das Ganze praktisch gestaltet werden?
Zum Aufnehmen einer Routine bietet sich das Festlegen einer realistischen Frequenz an; also die Definition, wie oft pro Woche ein Ausdauertraining aufgrund anderer Verpflichtungen möglich ist. Ist das definiert, kann anschliessend Art der Belastung bestimmt werden. Frage dich hierzu: Möchte ich Joggen, Radfahren, Rudern oder doch eher Schwimmen? Entscheidend für die Wahl ist deine Vorliebe und Motivation; nur wer etwas gerne tut, macht das auch regelmässig. Wechsle in der Ausübung zwischen kurzen intensiveren Intervalleinheiten mit wechselnder Belastung und Erholung sowie längeren, dafür etwas weniger intensiven Belastungen am Stück ab. Die Vor- und Nachteile des HIIT-Trainings versus der Dauermethode haben wir in einem früheren Blog-Beitrag abgehandelt; wir empfehlen ihn an dieser Stelle nochmals: HIIT-Training vs. Dauermethode: Welche Trainingsform bringt’s? behandelt. Ist einmal eine Routine entwickelt, können zunächst die Dauer und Intensität an die Vorlieben und Effektivität angepasst werden. Hier kann die Hilfe eines professionellen Coaches sehr hilfreich sein.
Messung des VO2max-Wertes
Wer von der Thematik gepackt wurde und es genau wissen möchte: Der absolute VO2max-Wert lässt sich mit einer Spiroergometrie messen. Mittels dem daraus resultierenden Wert, bei dem die Messung mit Litern/min (L/min) angegeben wird, also wie viel Liter Sauerstoff jemand pro Minute umsetzen kann, lässt sich auch der relative VO2max berechnen (= der auf das Körpergewicht relativierte Wert). In der Praxis werden wird nach wie vor vornehmlich der relative VO2max-Wert verwendet für Ableitungen auf die Gesundheit; der absolute Wert ist für Experten jedoch mindestens genauso aussagekräftig, weshalb bei einer Beratung auch jeweils beide Werte betrachtet und analysiert werden sollten.
Überblick relative VO2max-Werte
Männer
Frauen
Literatur
Mandsager, K., Harb, S., Cremer, P., Phelan, D., Nissen, S. E., & Jaber, W. (2018). Association of cardiorespiratory fitness with long-term mortality among adults undergoing exercise treadmill testing. JAMA network open, 1(6), e183605-e183605.
Shvartz, E., & Reibold, R. C. (1990). Aerobic fitness norms for males and females aged 6 to 75 years: a review. Aviation, space, and environmental medicine, 61(1), 3-11.