Metabolische Gesundheit Teil III
Wie das Kraft- und Ausdauertraining sowie der Blutdruck den Metabolismus beeinflusst
Von: Marc Streitenbürger, ASVZ-Trainingsleiter sowie Leiter Athletik und Personal Training bei Functional Athletics und Turicum Athletics
Take-Home-Messages (Teil III):
- Die Erhöhung der kardiorespiratorischen Fitness von einem tiefen auf ein durchschnittliches Level hat einen hohen positiven Gesundheitseffekt.
- Mithilfe eines regelmässigen Ausdauertrainings kann die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) trainiert und damit die Wahrscheinlichkeit, länger gesund zu leben, erhöht werden.
- Dabei können kürzere intensive Intervalle und/oder auch längere gleichmässige Belastungen mit tieferer Intensität angewendet werden (siehe auch HIIT-Training vs. Dauermethode: Welche Trainingsform bringt’s?).
- Ausdauertraining kann den Blutdruck am effektivsten senken. Daneben hilft dynamisches, aber vor allem auch isometrisches Krafttraining zur Blutdrucksenkung.
Metabolisches Syndrom und Krafttraining
Die Effekte von Kraft und Muskeln für die Gesundheit sind sehr vielfältig. Dies in jedem Alter. In den meisten Abschnitten dieser Blog-Reihe zur metabolischen Gesundheit werden Kraft und Muskeln und ihre Effekte auf bestimmte Gesundheitsaspekte beschrieben. In diesem Abschnitt besprechen wir die Sarkopenie. Die Sarkopenie wird als altersabhängiger, unfreiwilliger Verlust von Muskelmasse und Kraft definiert (Mettler et al., 1997).
Zhang et al. (2018) konnten zeigen, dass Personen, welche über genügend Muskelmasse verfügten, d. h. keine Sarkopenie aufwiesen, eine bedeutend bessere Chance auf ein längeres und gesundes Leben haben, als Personen mit Sarkopenie.
Zusätzlich haben Li et al. (2018) herausgefunden, dass betreffend Langlebigkeit und Gesundheit, die Muskelkraft stets einen grösseren positiven Einfluss als die Muskelmasse hatte. Die Muskelmasse bringt, unabhängig von der Kraft, zwar sehr vorteilhafte gesundheitliche Effekte mit sich, weil Muskelmasse das beste Reservoir für den Blutzucker bzw. die Glukose darstellt (je mehr Muskelmasse, desto besser und einfacher kann Glukose ohne negative Effekte in Form von Muskelglykogen abgespeichert werden). Trotzdem macht es Sinn, die Kraftfähigkeiten möglichst zu steigern bzw. hochzuhalten, auch wenn die Muskelmasse dabei nicht gesteigert wird.
Lange war das Ausdauertraining im Fokus des gesundheitsorientierten Trainings. Doch in den letzten Jahren hat das Krafttraining enorm aufgeholt. Viele neue Erkenntnisse konnten die grossen Effekte auf die metabolische Gesundheit zeigen. Wie im ersten Teil dieser Blog-Reihe zu den neurodegenerativen Krankheiten beschrieben, hat Krafttraining nicht nur einen Effekt auf die physische Leistungsfähigkeit, sondern auch auf die kognitive bzw. mentale Gesundheit. Unser Gehirn profitiert mindestens genauso vom Krafttraining wie unser Bewegungsapparat.
Metabolisches Syndrom und Ausdauerleistungsfähigkeit
Der VO2max ist ein entscheidender Indikator bei der Ausdauerleistungsfähigkeit. Er beschreibt, wie viel Sauerstoff der Körper in einer bestimmten Zeit maximal aufnehmen und verstoffwechseln kann. Dabei ist er nicht nur eine gute Richtgrösse für die Leistungsfähigkeit, sondern auch für die Gesundheit im Allgemeinen. Mit einem metabolischen Syndrom sind kaum gute VO2max-Werte zu erreichen.
So ist auch hier nicht nur per se die maximale Sauerstoffauslastung die Ursache für die positive Korrelation mit der metabolischen Gesundheit. Ausdauertraining, welches eine erhöhte Sauerstoffaufnahme bewirkt, führt zu unzähligen positiven Anpassungen, welche sich direkt auf die metabolische Gesundheit auswirken. Auf die genauen physiologischen Mechanismen verzichten wir an dieser Stelle, denn dies würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen.
Stattdessen stellen wir die Ergebnisse von Mandsgader et al. (2018) vor, die den Zusammenhang der kardiorespiratorischen Fitness (mittels VO2 max) und der langfristigen Mortalität untersucht haben. Dabei konnten sie eine klare Erkenntnis erlangen: Je höher der VO2 max, desto kleiner die Wahrscheinlichkeit im nächsten Jahrzehnt zu sterben. Dabei gab es kein oberes Limit, was bedeutet, man kann nicht zu fit sein. Die Ergebnisse sprechen für sich, denn es konnten Ausmasse nachgewiesen werden, wie es wahrscheinlich die wenigsten erwarten würden:
Die Probanden wurden in fünf Kategorien eingeteilt (gemäss VO2max):
- Elite (tiefste Mortalitätsrate)
- Hohe Fitness
- Überdurchschnittliche Fitness
- Unterdurchschnittliche Fitness
- Tiefe Fitness (höchste Mortalitätsrate)
Steigt jemand aus einer Kategorie (bspw. tiefe Fitness) in die nächsthöhere Kategorie (bspw. unterdurchschnittliche Fitness), reduziert diese Person die Chance im nächsten Jahrzehnt zu sterben um 50 %. Dies zeigt auf, wie bereits eine kleine Verbesserung der kardiorespiratorischen Fitness einen sehr grossen Einfluss auf die Gesundheit hat.
Als Vergleich: Wenn jemand aus Kategorie 4 oder 5 in mindestens Kategorie 3 aufsteigt, hat dies einen grösseren positiven Effekt auf die Gesundheit, als wenn jemand aufhört zu rauchen. Steigt eine Person von Kategorie 5 bis in Kategorie 1 (Elite), reduziert er/sie die Sterblichkeit im nächsten Jahrzehnt fünffach, um 400 %. Der Effekt von einem adäquaten Ausdauertraining bzw. Sportarten mit einer gewissen Ausdauerkomponente ist offensichtlich enorm.
Metabolisches Syndrom und Blutdruck
Der Zusammenhang eines erhöhten Blutdrucks und schlechter metabolischer Gesundheit ist schon länger bekannt. So weiss man heute, dass schon eine leichte Erhöhung von 130/85 (gegenüber 120/80) bereits negative Effekte auf die Gesundheit haben. Bei der Wirkung geht man davon aus, dass ein erhöhter Blutdruckseine negativen Werte vor allem über einen erhöhten mechanischen Stress auf die Blutgefässe entfaltet. So konnten verschiedene Meta-Analysen (Prospective Studies Collaboration, 2002) beobachten, dass bei Personen von 40 bis 70 Jahren, jede Erhöhung von 20 mmHg des systolischen Blutdrucks und eine 10 mmHg Erhöhung des diastolischen Blutdrucks zu einer Verdoppelung des Risikos führt, an einem Hirnschlag, Herzinfarkt oder andere Krankheiten der Blutgefässe zu sterben.
Wie kann ich meinen Blutdruck am besten und gesündesten senken? Auch hier ist aktive Bewegung einer der besten Methoden. Dabei konnten Cornelissen und Smart (2013) zeigen, dass Ausdauertraining einen hohen Blutdruck sehr effektiv senken kann. So konnten 90 bis 150 Minuten Ausdauertraining bei 65 bis 75 % der maximalen Herzfrequenz in nur vier Wochen den systolischen Blutdruck um 8 mmHg und den diastolischen um 5 mmHg senken. Ausdauertraining scheint somit den grössten positiven Effekt auf den Blutdruck zu haben.
Jedoch ist auch Krafttraining in der Lage, den Blutdruck leicht zu senken (Cornelissen & Smart, 2013). In vier Wochen konnte eine Senkung des systolischen Blutdrucks um 2 mmHg und diejenige des diastolischen um 3 mmHg beobachtet werden. Die blutdrucksenkenden Effekte konnten durch ein ebenfalls 90 bis 150-minütiges wöchentliches Krafttraining mit Intensitäten von 50 bis 100 % des 1 RM nachgewiesen werden («Das One-Repetition-Maximum (1 RM) beschreibt das maximale Gewicht, das eine Person nur einmal in einem definierten Bewegungsbereich bewegen kann.», aus Akademie für Sport und Wissenschaft, Anm. d. Red.).
Betreffend Krafttraining konnten Cornelissen und Smart (2013) zusätzlich zeigen, dass im Vergleich zu dynamischem Krafttraining, isometrisches Krafttraining den Blutdruck noch etwas effektiver senken konnte. In diesem Fall konnte der systolische Blutdruck um 6 mmHg und der diastolische um 3 mmHg gesenkt werden.
Wenn also eine Person ihren Blutdruck durch Ausdauer- und Krafttraining langfristig von 140/90 auf 120/80 zu senken vermag, so steigert sie die Wahrscheinlichkeit, länger gesund zu leben massgeblich.
Merke!
Die Inhalte dieser Blog-Reihe sollen als Informationsquelle dienen, und nicht als medizinische Ratgeber missverstanden werden. Das Ziel ist aufzuzeigen, wie stark wir unsere Gesundheit selbst in der Hand haben. Die Blog-Beiträge ersetzen die individuelle Beratung durch eine Fachperson nicht.
Literatur
- Metter, E. J., Conwit, R., Tobin, J., & Fozard, J. L. (1997). Age-associated loss of power and strength in the upper extremities in women and men. The Journals of Gerontology Series A: Biological Sciences and Medical Sciences, 52(5), B267-B276.
- Li, R., Xia, J., Zhang, X. I., Gathirua-Mwangi, W. G., Guo, J., Li, Y., ... & Song, Y. (2018). Associations of muscle mass and strength with all-cause mortality among US older adults. Medicine and science in sports and exercise, 50(3), 458.
- Zhang, X., Wang, C., Dou, Q., Zhang, W., Yang, Y., & Xie, X. (2018). Sarcopenia as a predictor of all-cause mortality among older nursing home residents: a systematic review and meta-analysis. BMJ open, 8(11).
- Rebello, C. J., Zhang, D., Kirwan, J. P., Lowe, A. C., Emerson, C. J., Kracht, C. L., ... & Brown, J. C. (2023). Effect of exercise training on insulin-stimulated glucose disposal: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. International Journal of Obesity, 47(5), 348-357.
- Chiefari, E., Mirabelli, M., La Vignera, S., Tanyolaç, S., Foti, D. P., Aversa, A., & Brunetti, A. (2021). Insulin resistance and cancer: In search for a causal link. International journal of molecular sciences, 22(20), 11137.
- Cornelissen, V. A., & Smart, N. A. (2013). Exercise training for blood pressure: a systematic review and meta‐analysis. Journal of the American heart association, 2(1), e004473.
- Mandsager, K., Harb, S., Cremer, P., Phelan, D., Nissen, S. E., & Jaber, W. (2018). Association of cardiorespiratory fitness with long-term mortality among adults undergoing exercise treadmill testing. JAMA network open, 1(6), e183605-e183605.