Sport & Medizin: Als Bewegung in die Medizin kam

19. Mai 2025

Als Sportmediziner ist Walter O. Frey von der Klinik Hirslanden in Zürich seit drei Jahrzehnten eine Koryphäe. Im eindrücklichen Palmarès des aktuellen Trägers des Sportförderpreises der Stadt Zürich und ETH-Dozenten stehen unter anderem Titel wie Clubarzt des Hockeyclubs Davos, Gründer und Leiter von zwei Swiss Olympic Medical Centers in Zürich, Chefarzt von Swiss Ski sowie Verbandsarzt verschiedener Sportverbände – und seit 35 Jahren ärztlicher Leiter der SOLA-Stafette. Im ASVZ-Talk Sport & Medizin gab Walter O. Frey lehrreiche Einblicke in seine langjährige Tätigkeit und räumte mit etlichen Sport-Mythen auf.

Wie Bewegung in die Medizin kam
Es gibt in der Schweizer Sportwelt wenige Mediziner, die sich in den Bereichen Sportmedizin und Rehabilitation mit Walter O. Frey messen können. Bereits in seinen frühen Jahren als Assistenzarzt und später als Oberarzt in der Höhenklinik TSH in Davos brachte er Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre Schwung in die Schweizer Medizin, wie er sich zum Einstieg seines ASVZ-Talks erinnerte: «Für die in der Höhenklinik zu behandelnden Lungenkranken erwirkte ich die Einrichtung des ersten Kraftraumes mit Laufband und sorgte zeitgleich dafür, dass die ersten Mountainbikes zur Rehabilitation eingesetzt wurden. Die Erfahrung lehrte uns schon damals, dass Bewegung der Gesundheit wahnsinnig guttut.»

Von Wasser und Schweiss
Ebenfalls in Davos wirkte der ehemalige Skirennfahrer Frey als Mediziner am ersten Swiss Alpine Marathon im Juli 1986 mit. Nach spannender Forschung an den teilnehmenden Marathonläuferinnen und -läufern schrieb er 1987 seine Dissertation zum Thema „Wasser- und Elektrolythaushalt an einem Ultramarathon“. Die von Walter O. Frey erzählten Anekdoten aus seiner Forschungstätigkeit zeigten exemplarisch die Wichtigkeit der Forschung und deren Auswirkungen auf den aktiven Sportbetrieb auf. «Wir konnten mit unserer Arbeit nachweisen, wie die Dehydration bei Laufsportlerinnen und -sportlern vor sich geht und wie man dagegenwirken kann. Die wichtigste Erkenntnis – auch für Sie als Hobbysportler – ist der Appell, dass Trinken von Wasser die beste Prävention gegen Dehydrierung und einen drohenden Kollaps während des Langstreckenlaufs ist. Bei Laufdauern von bis zu einer Stunde reicht Leitungswasser aus, bei zwei Stunden Laufzeit empfiehlt es sich, dem Wasser Kohlenhydrate, also Zucker, z. B. Maltodextrin, beizumischen, und erst ab drei Stunden Laufzeit muss man dem Trinkwasser Elektrolyte beifügen.»

Überaus spannende und auch lustige Einblicke in seine Forschungsarbeit lieferte Walter O. Frey zum Thema Schweiss. Die Erkenntnis, dass Schweiss primär Wasser, also hypoton ist, und nicht salzig, erläuterte der Sportmediziner auf einprägsame Weise. Sein Fazit einer grösseren Forschungsarbeit am Swiss Alpine Marathon, deren Erkenntnisse auch bei der SOLA-Stafette und dort kollabierten Läuferinnen und Läufern zum Einsatz kommt: «Kollapse an einem Langstreckenlauf sind in der Regel ein Volumenproblem des Blutkreislaufes aufgrund einer Dehydrierung. Mit 1 bis 2 Liter Infusion ist jeder ein Finisher!» Zum Abschluss des Themenfeldes gab Walter O. Frey den Tipp, welchen er gemeinsam mit dem Ernährungswissenschafter Christof Mannhart entwickelt hat, weiter, wie man sein Sportgetränk am besten selber zubereitet: «Für Personen, die täglich intensiv oder länger als eine Stunde trainieren und für alle sportlichen Belastungen von über eineinhalb Stunden Dauer, empfiehlt sich zum Trinken während oder nach Ausdauertrainings oder Wettkämpfen ein Mix aus: 1 Liter Wasser oder Tee, 30 Gramm Zucker oder Sirup, 50 Gramm Maltodextrin und 1,5 Gramm Kochsalz.»

«Sport ist Mord» - oder doch Medizin?
Äusserst spannend gestaltete Sportarzt Frey die folgende Antwortfindung auf die Frage, ob Sport gleichzustellen sei mit Medizin oder Mord? Seine persönlichen Kontakte zu zwei führenden US-Forschern in diesem Bereich – Kenneth H. Cooper, der Erfinder der Fitness-Bewegung Aerobics und des Cooper-Ausdauertests, sowie Steven N. Blair, Autor namhafter Forschungsarbeiten zum Thema Bewegung und Medizin – führten Walter O. Frey in seinen Ausführungen zur Feststellung, dass Sport als Medizin betrachtet werden kann. Ein Blick in Gesundheitsstudien zeige auf, dass körperliche Aktivitäten das allgemeine Risiko, an Krebs zu erkranken, um ganze 25 Prozent senken kann. Selbst bereits von Krebs Erkrankte könnten das allgemeine Sterberisiko mit regelmässiger Bewegung und Sport bis zu 33 Prozent senken. Als aktuelles Beispiel führte Swiss Ski-Chefarzt Frey den Schweizer Skistar Niels Hintermann an, der eine Krebserkrankung unter anderem auch dank seiner Sportlichkeit überwunden hat.

Ein weiterer Beleg, wie Sport als Medizin wirken kann, führte Walter O. Frey mit dem Blick auf die Hormon- und Stoffwechselforschung aus. Am Beispiel des Muskels, der nur bei Bewegung Botenstoffe, sogenannte Myokine, produziert, welche sich im ganzen Körper positiv auf die anderen Organe auswirken. «Unsere aktiv arbeitenden Muskeln sind eigentliche Gesundheitsdrüsen – und die Bewegung ist entsprechend ein potentes Medikament gegen Erkrankungen.» All diese positiven Effekte für die Gesundheit gebe es aber nicht gratis, sondern nur mit Arbeit, respektive körperlicher Bewegung! Gemäss zahlreichen Studien sei belegt worden, dass das Risiko einer Infektanfälligkeit mit gemässigter Sportaktivität abnimmt. Gleich darauf folgte aber die Feststellung von Walter O. Frey, dass Sport auch zerstörerische Wirkungen auf den Körper haben kann.

Über die 10'000 Schritte
Dass Sport dem Körper auch Schaden zufügen könne, belegte Frey mit zahlreichen Meldungen und Fotos aus der Presse, und selbst das Bonmot «Sport ist Mord» von Winston Churchill wurde erwähnt. Je extremer die sportliche Belastung sei, desto höher die Gefahr für die Gesundheit. Frey appellierte deshalb, bei Vorerkrankungen darauf zu achten, sich nicht zu hohen Sportbelastungen auszusetzen. Je nach Grundfitness seien individuell höhere oder tiefere Belastungen der Fitness zuträglich. Gar nicht gesund sei aber das Sitzen: «Sitzen macht krank. Wer aber pro Tag weniger als drei Stunden sitzend verbringt, verlängert sein Leben um zwei Jahre.» Um das Thema abzurunden, warf der Referent noch einen Blick auf die allgemeine Empfehlung zur Anzahl Schritte, welche pro Tag als gesund empfohlen werden. Die landläufig gängige Annahme von 10'000 Schritten als Nonplusultra relativierte der Sportarzt, auch 8'000 oder 15'000 Schritte seien durchaus gesund – Hauptsache man bewege sich. Als extrem wichtig erachtete Frey aber die Gang-Geschwindigkeit. Diese ist nämlich direkt mit der physischen Selbständigkeit korreliert: «Wenn man schneller als einen Meter pro Sekunde laufen kann, ist das gut. Fällt die Gehgeschwindigkeit darunter, sollte man sich wenn möglich darum bemühen, seine Mobilität zu erhöhen. Sein persönlicher Tipp zur Mobilitätserhaltung und damit auch zur Sturzprävention, die man übrigens schon im Alter von 30 Jahren mit regelmässigem Sport und  aktiver Bewegungen beginnen sollte, lautete: «Laufen oder rennen Sie ab und zu 50 Meter rückwärts, und Sie werden garantiert vorwärts gehend länger nicht stürzen!»

Mythos Magnesium 
Zum Abschluss des Talks räumte Sportmediziner Walter O. Frey in der Frage- und Antwortrunde noch mit einem Sportmythos auf, der sich hartnäckig hält und Muskelkrämpfe in den Zusammenhang mit fehlendem Magnesium bringt: «Das einzige, was man garantiert bekommt, wenn man Magnesium hochdosiert einnimmt, ist Durchfall. Das stimmt bei diesem Mythos auf alle Fälle. Der ganze Rest davon ist ein Ammenmärchen. Die Ursache von Muskelkrämpfen ist nur in den allerseltensten Fällen das fehlende Magnesium, sondern hat verschiedenste Gründe. Dehydration, Fehlbelastungen und Erschöpfungszustände sind die häufigsten Ursachen für Krämpfe, oder eine ganze Kombination davon.»

Text: Thomas Borowski

Bilder: Aurel von Marx