Sport & Jürg Stahl: «Sport ist in der Schweiz gesellschaftlich relevant»
Jürg Stahl, Präsident von Swiss Olympic, präsentierte am 26. November 2024 in der ASVZ-Vortragsreihe «Sport & ...» ein umfassendes Referat über die Rolle des Schweizer Sports im Kontext der Olympischen Spiele Paris 2024 sowie die nachhaltige Entwicklung des Sports in der Schweiz. Dabei behandelte er fünf zentrale Themen: die Faszination der Olympischen Spiele, die finanzielle und organisatorische Verbandsförderung, die Athletenentwicklung, die Bedeutung von Ethik und Nachhaltigkeit sowie die langfristigen Perspektiven und Visionen für Swiss Olympic.
Die Magie der Olympischen Spiele
Jürg Stahl betonte als Einstieg die Einzigartigkeit der Olympischen Spiele, die als globales Symbol für Leistung, Vielfalt und Zusammenhalt stehen. Paris 2024 sei für ihn als Präsidenten von Swiss Olympic, der Ende Jahr aus seinem Amt scheidet, besonders gewesen. Auch, weil der Grossanlass exakt 100 Jahre nach den letzten Olympischen Spielen in der französischen Hauptstadt ausgetragen und aus Angst vor Attentaten unter grösster polizeilicher Präsenz durchgeführt wurde. Mit insgesamt 10'800 Athlet:innen aus über 200 Nationen, die in 28 Sportarten und 329 Medaillen-Events antraten, stellte das Event ein historisches Highlight dar. Bemerkenswert war auch die konsequente Umsetzung der Gender-Equality-Ziele, da eine 50:50-Beteiligung zwischen männlichen und weiblichen Athlet:innen erreicht werden konnte. Mit weiteren Kennzahlen wie 45'000 Freiwilligen und 35 Sportstätten unterstrich Jürg Stahl die enorme logistische Herausforderung: «Unser Schweizer Team hatte im Olympischen Dorf eine gute Zeit – und war wieder überaus heterogen. Athleten wie Nino Schurter mit seiner fünften und Steve Guerdat mit seiner sechsten Teilnahme starteten neben jungen Schweizer Sportler:innen, welche erstmals an Olympia teilnahmen. Das gehört mit zur Faszination dieses Grossereignisses.»
Verbandsförderung: Geld und Struktur
Wie das Geld in der Sportförderung eine wichtige Rolle spielt, erläuterte Jürg Stahl im zweiten Teil seines Beitrages. «Swiss Olympic fungiert in einer Doppelrolle als Dachverband des Schweizer Sports und nationales Olympisches Komitee. Unsere zentrale Aufgabe ist die Förderung und Unterstützung von 83 nationalen Sportverbänden sowie 30 Partnerorganisationen, die zusammen über 2,2 Millionen Sportler:innen in rund 18'300 Vereinen repräsentieren.» Jürg Stahl erläuterte die finanziellen Mechanismen hinter der Sportförderung: «Das Gesamtbudget für 2025 von Swiss Olympic beträgt 124 Millionen Franken – mit einem Grossteil davon werden die Sportverbände auf Grundlage klar definierter Kriterien gefördert. Diese Beiträge gliedern sich in Basis-, Nachwuchs-, Elite-, Olympiabeiträge und Zuschüsse für Sportgrossveranstaltungen.»
Besonders grosse und erfolgreiche Verbände wie Swiss-Ski (9,06 Millionen Franken) oder Swiss Cycling (4,73 Millionen Franken) erhalten die höchsten Förderungen, während kleinere Verbände wie der Schweizer Tauziehverband mit geringeren Mitteln auskommen müssen. Die Fördergelder, die Swiss Olympic verteilt, stammen hauptsächlich aus den Lotteriegesellschaften sowie staatlichen Mitteln.
Die Weiterentwicklung der Verbandsförderung folgt klaren Leitlinien. So setzt Swiss Olympic unter anderem auf mehr Transparenz, wirkungsorientierte Förderungen und die Stärkung ethischer Standards, erklärte Jürg Stahl: «Ziel ist es, durch individuellere Zielsetzungen und gemeinsame Entwicklungsschritte den grösstmöglichen Nutzen für die Athlet:innen und den Schweizer Sport insgesamt zu erzielen.»
Sportförderung und Athletenweg: Der Mensch im Mittelpunkt
Ein zentrales Thema des Referats war die gezielte Förderung von Athlet:innen durch das FTEM-Rahmenmodell. Dieses Modell dient als sportartübergreifendes Instrument für den Schweizer Sport, das die Entwicklung von der Basis (Foundation) bis hin zur Weltspitze (Mastery) strukturiert. Das Ziel ist es, ein systematisches und koordiniertes Förderkonzept zu schaffen, das sowohl den Breiten- als auch den Spitzensport nachhaltig stärkt. Darüber hinaus betonte Stahl, dass der Sport nicht nur auf Leistung abzielt, sondern auch Werte, Lebenskompetenzen und Gesundheit fördert.
Swiss Olympic unterstützt Athlet:innen mit Programmen wie dem Athlete Hub, das Karriereplanung und persönliche Weiterentwicklung fördert. Zudem wird die Talentförderung durch die Swiss Olympic Card in verschiedenen Kategorien (Gold, Silber, Bronze, Elite, Talent national/regional/lokal) gezielt vorangetrieben. Diese Massnahmen tragen dazu bei, die Qualität des Schweizer Sports langfristig zu sichern und die Athlet:innen auch über ihre aktive Karriere hinaus zu begleiten.
Nachhaltigkeit und Ethik: Werte für den Sport
Ein weiterer Schwerpunkt war die Bedeutung von Ethik und Nachhaltigkeit im Schweizer Sport. Jürg Stahl hob hervor, dass Swiss Olympic sich aktiv für die Verankerung von Werten im Sport einsetzt, die im Ethik-Statut klar definiert sind. Ein eigens entwickelter digitaler Ethik-Kompass bietet Orientierung und Handlungsrichtlinien für Athlet:innen, Trainer:innen und Aufsichtspersonen. Gleichzeitig werden gezielte Projekte gefördert, um die Geschlechtergleichheit im Sport zu stärken. Mit entsprechenden Massnahmen – beispielsweise der Einführung einer Geschlechterquote für den Vorstand von nationalen Sportverbänden ab 2025 – und gezielter Unterstützung von Frauen im Spitzensport, setzt Swiss Olympic wichtige Impulse. Die Inklusion im Sport ist ein weiterer wichtiger Aspekt.
Und die Nachhaltigkeit war nicht nur ein Ziel der Spiele in Paris 2024, sondern soll auch bei Swiss Olympic ein langfristiges Prinzip sein, das durch diverse Initiativen wie dem «Swiss Olympic Klimafonds» aktiv vorangetrieben wird.
Bilanz und Ausblick: Was bleibt von Paris, und was folgt?
In seinem abschliessenden Ausblick beleuchtete Jürg Stahl die Perspektiven für den Schweizer Sport. Paris 2024 bot nicht nur die Möglichkeit, sportliche Erfolge zu feiern, sondern auch, wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Systems zu gewinnen. Zu den zentralen Zielen gehört die stärkere Nutzung der Schweizer Innovationskraft durch die Vernetzung von Sport, Wissenschaft und Wirtschaft. Auch die gezielte Förderung von Trainer:innen sowie individuellere Fördermassnahmen für Athlet:innen sollen weiterentwickelt werden.
Ein Highlight des langfristigen Plans ist das Projekt «Schweizer Olympia Park», das als Innovationshub die Hochleistungsbereiche des Sports mit Wissenschaft und Wirtschaft verbindet. Dieses Projekt soll nicht nur den Leistungssport, sondern auch die Gesellschaft nachhaltig stärken. Langfristig plant Swiss Olympic zudem eine Bewerbung für die European Championships 2030 sowie die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2038 in der Schweiz.
Das Referat von Jürg Stahl stellte eindrucksvoll dar, wie Swiss Olympic den Schweizer Sport auf allen Ebenen – von der Basis bis zur Weltspitze – fördert. Mit einer klaren Vision unterstreicht Swiss Olympic seine Rolle als Treiber für Leistung, Nachhaltigkeit und Werteorientierung im Sport. Die dargestellten Strategien und Projekte legen laut dem Präsidenten von Swiss Olympic eine solide Grundlage für den zukünftigen Erfolg und die gesellschaftliche Relevanz des Sports in der Schweiz. Jürg Stahl selbst übergibt das Präsidium von Swiss Olymipc Ende Jahr an seine kürzlich gewählte Nachfolgerin, Ruth Metzler-Arnold – er bleibt dem Schweizer Sport aber eng verbunden.
Text: Thomas Borowski
Bilder: Aurel von Marx