Das ist ...

30. Januar 2023

Trommeln

Überrascht zu werden, das mag Tony, der Vortrommler, Perkussionist, sozusagen der Tambourmajor unseres Djembé-Kurses. Tony ist nicht nur Instruktor, sondern auch ein Philosoph: «If you rush, you lose time». Wer pressiert, verliert, lautet einer der weisen Sprüche, mit denen er die intensiven Übungssequenzen auflockert. 

Der Regen trommelt ans Fenster, von der Baustelle nebenan rattert ein Presslufthammer, während meine Fingerkuppen auf die Tastatur töggeln. Wieso empfinden wir manche Geräusche nicht als Lärm, sondern als Musik?

«Hast du schon einmal getrommelt?», fragte mich Tony, als ich mich versehentlich in die Gruppe der Fortgeschrittenen verirrt hatte. Nur mit Schlägern, antwortete ich wahrheitsgemäss, das sei auch lange her. Als Kind schlug ich probeweise einige Male auf eine Marschmusiktrommel. Tony schmunzelt: «Gut, dann sind jetzt einfach deine Hände die Schläger».

Wir sind eine Gruppe von neun Leuten, darunter zwei Hannas, ein Alex aus Griechenland und ein Viktor aus Frankreich. Die beiden Herren sprechen kein Deutsch, aber das spielt hier nun wirklich keine Rolle, und das ist der Punkt. Wieso überhaupt sprechen, wenn man miteinander trommeln kann? «I have friends», sagt Alex und wir lachen.

Im Halbkreis sitzen wir um Tony herum und versuchen, nachzuahmen, was er uns vorklopft, vorgibt, vorspielt. Sitzend auf einem Schemel, im Cyclingraum unter der Polyterrasse. Unser Fitnessgerät heisst Djembé, so heissen die westafrikanischen Bechertrommeln, milchkannengross. Über deren Klangkörper aus Holz ist ein Ziegen- oder Kuhfell gespannt.

Den Beat auf das Fell hauen, die Brente, den Becher oder den Bottich im Takt schlagen, aber nicht draus fallen, Konzentration.
 

Ding Ding dong didi dong didi dong dong

Dong didi dong didi dong didi dong dong

Ding Ding dong didi dong didi dong dong

Dong didi dong didi dong didi dong dong

Die verschiedenen Rhythmus-Elemente sind universell. Es gibt unendlich viele Kombinationen. Im arabischen Raum, wo Tony herkommt, sind die Grundschläge stets gerade: Links, rechts, innen, aussen, laut, leise.
Dazwischen gibt es Pausen. Tony spricht lieber von «ungehörten Schlägen», «unheard beats», weil das unerhört magisch klingt. Schliesslich ist auch dann etwas da, wenn wir nichts hören.

Was hat das mit Sport zu tun? Nicht viel. Wenn es überhaupt Sport sein soll, ist Trommeln ein Teamsport. Ohne Zweifel ist es ein forderndes Training, ganzheitlich und anspruchsvoll, wenn auch nicht gerade schweisstreibend. Aber eben, tricky ist es schon, die Rhythmik: Wie Musiker in einem Orchester suchen und finden wir den gemeinsamen Groove, den Sog, den Beat.  

«Connect with Joy» heisst der Untertitel von Tonys Kursen. Es geht um Ausdruck durch die Verbindung, das Schlagwerk und das grosse Ganze, das im Einfachen steckt. Wie wir zu Fuss gehen, Schritt für Schritt auf dem Boden oder schwimmen, Zug um Zug, durchs Wasser oder Skifahren, indem wir hin- und herschwingen, im Schnee, üben wir beim Trommeln die Grundtechnik, Beats in Patterns, stets Viererschläge zum Anfang, Takt für Takt.

Taka taka Dong Dong Taka taka Dong Dong

Didi Dong Didi Dong Taka taka Dong Dong Dong

Von Koordination und Konzentration braucht es soviel, dass es einem schon trümmlig werden kann. Man hat ja nur zwei Hände, und wenn es zwischendurch rasant groovt, alle im Takt, dann flasht es gehörig, wir trommeln uns in einen Rausch, sind eine Band, das kann man bis zur Ektase treiben, endlos.

Soweit sind wir noch nicht ganz. Damit es groovt, müsse man im Lot sein, sagt Tony. Das erreiche man durch Achtsamkeit und damit, dass man auf die innere Stimme hört. Das gelte für alles, nicht nur für das Trommeln.

Wie beim Tennis gibt es auch beim Trommeln Links- und Rechtshänder. Der erste Schlag, die Eins kommt immer mit der Rechten. Übungshalber ändern wir dies und beginnen mit links den Takt, was schwierig ist. Aber man gewöhnt sich daran und findet den Rhythmus. Dann wieder wechseln, wie gewohnt: «Jetzt sind wir wieder daheim».  

Die Zeit ist relativ, ist «überall im Raum zu pflücken». Tony stopft sich etwas Zeit in die Jackentasche. Und die Ordnung, die wir uns gerne schaffen, die gilt es zu üben. Das Ziel ist es, die Basis im Schlaf zu können, damit man immer wieder darauf zurückfallen kann. Das hämmern wir uns rein, sanft und selbständig, komplett freiwillig. Wir schaffen unser Netz, den Airtrack, das Kissen, das uns auffängt. Und um irgendwann darauf zu tanzen, wie Meister Tony: «Our Body has strong memories». Was man mal kann, das vergisst man nicht.

Es ist ein Kommen und Gehen. Für die nächste Lektion im Cyclingroom werden nun die Spinning-Cycles wieder an ihre Plätze gezogen, während wir die Trommeln verpacken und verreisen. 24 Djembés haben in Tonys Kombi Platz. Also 6 mal 4 oder 3 mal 8, wenn man klug packt, fast wie beim Tetris.

Taka taka Dong Dong Taka taka Dong Dong

Didi Dong Didi Dong Taka taka Dong Dong Dong

 

Claudio Zemp

Interessiert am ASVZ-Blog?

Wir schreiben auch in den weiteren Rubriken "Pro & Kontra" und "Wort zum Sport". Der ASVZ-Blog ist erreichbar unter asvz.ch/blog