Sport & Schmerz: «Keinen Sport treiben, wenn es schmerzt!»
Martin Narozny ist als Mediziner mit 30 Jahren Berufserfahrung ein ausgewiesener Experte in Sachen Sportverletzungen. Täglich ist er als Leiter Sportmedizin der Medbase Zürich mit Schmerz konfrontiert. Als Verbandsarzt von Swiss Athletics und Swiss Sliding mit Einsätzen an Olympischen Spielen sowie als Platzarzt der Kloten Flyers-Eishockeyaner hat er viel Erfahrung sammeln können. In seinem ASVZ-Vortrag «Sport & Schmerz» teilte Martin Narozny – zusammen mit seiner Patientin und Spitzen-Stabhochspringerin Angelica Moser – Erfahrungen und Empfehlungen zum Thema Schmerz.
Sport und Schmerz sind oftmals miteinander verknüpft. Trotz klaren Ursachen und Folgen ist der Schmerz in der wissenschaftlichen Literatur kaum empirisch belegt. Auf diese Begebenheit weist Sportmediziner Martin Narozny gleich zu Beginn seiner praxisnahen Ausführungen hin. Dank seiner 30-jährigen Berufserfahrung gibt er dennoch gleich am Anfang des Abends seinen wichtigsten Tipp: «Mit Schmerzen Sport treiben? Tut es nicht!», lautet die dringliche Empfehlung. Zahlreiche Begründungen dazu liefert er zusammen mit seiner Patientin Angelica Moser. Die Schweizer Spitzenleichtathletin und Stabhochspringerin wird von Martin Narozny als Verbandsarzt von Swiss Athletics betreut. Zusammen haben sie schon etliche Verletzungen durchgestanden. Im späteren Zweiergespräch der beiden wird klar, dass das Schmerzthema sehr individuell ist. «Schmerzen gehören im Alltag als Berufssportlerin dazu, aber jede spürt den Schmerz anders, man ist mehr oder weniger empfindlich», sagt Angelica Moser.
Die Ursachen von Schmerz im Sportalltag führt Martin Narozny zuvor mit Fallbeispielen aus dem Spitzen- und Hobbysport auf. Für alle gilt: «Schmerz ist eine Empfindung, welche durch die Reizung von Nozizeptoren des peripheren Nervensystems ausgelöst werden», so der Facharzt. Auslösende Faktoren können sowohl mechanische (Verletzungen, Druck, Scherkräfte), thermische (Hitze, Kälte) als auch chemische (Entzündungen, Veränderungen im PH-Wert) Reize sein. In der Regel sei der Schmerz ein Schutzmechanismus des Körpers vor weiteren Verletzungen. Als häufigste Schmerzursachen gelten im Sport der Unfall oder die Überbelastung, welche funktionelle Beeinträchtigungen des Körpers mit sich bringen.
Auf die offene Frage im Referat, ob man mit Schmerzen trainieren soll oder nicht, und ob man eventuell mit Medikamenten den gröbsten Schmerz zum Verschwinden bringen und trotzdem trainieren kann, antwortet Narozny mit einem Appell: «Es ist wichtig, das man als Sportlerin oder Sportler im Umgang mit Schmerzen ein hohes Mass an Selbstverantwortung walten lässt.» Wenn man die Warnsignale des Körpers ignoriere, reagiere dieser in der Regel in verschiedenen Stufen. Es könne sein, dass die Verletzung trotzdem ausheile. Halten die Schmerzen mehr als drei Monate an, zeichnet sich ein chronischer Verlauf ab und die Heilung werde immer aufwändiger. Ignoriere man den Schmerz darüber hinaus, drohen gar strukturelle und eventuell sogar irreversible Schäden an Knochen, Sehnen oder Bändern. Martin Narozny präsentiert die folgende Liste mit «Red Flags»-Warnsignalen, welche kein Training und die unbedingte Konsultation beim Arzt oder der Ärztin empfiehlt: Gelenkschwellungen und Blutergüsse nach Trauma mit hoher Energie; Schmerzen in Ruhe, welche nach einigen Tagen nicht abnehmen; Gelenkblockaden; Unmöglichkeit das Gelenk zu belasten; Instabilität (z.B. Schulter, Knie, Sprunggelenk); Rötung, Schwellung und Überwärmung eines Gelenkes (Entzündungszeichen); Fieber.
Auf den Einsatz von Schmerzmitteln im Sport geht der Arzt detailliert ein und spart auch hier nicht mit klaren Aussagen. Im Spitzensport seien Schmerzmittel manchmal notwendig, nach Abschätzung der Risiken und Nebenwirkungen in Relation zum Vorteil, welcher daraus entsteht. Stabhochspringerin Angelica Moser bestätigt, dass der Einsatz von Entzündungshemmern, die nicht auf der Dopingliste sind, in der Vorbereitung zu grossen Meisterschaften auch für sie nicht ausgeschlossen sei, im Trainingsalltag aber nur ganz selten vorkomme. «Zur kurzfristigen Schmerzbehandlung nach Verletzungen sind Schmerzmittel ok», ergänzt Martin Narozny. Aber im Breitensport sei die Anwendung sowohl im Training als auch im Wettkampf zu hinterfragen. Die Folgen von falschen oder zu langen Schmerzmittelanwendungen reichen von verzögerter Muskelheilung über Minderung der Zugkraft von Sehnengewebe bis hin zur Beeinträchtigung der Knochenstruktur.
Die zahlreichen Fragen zum Thema Sport und Schmerz, welche im Anschluss an das Referat eingehen und vom Mediziner beantwortet werden (siehe Aufzeichnung des Vortrags), machen nochmals deutlich, wie sehr das Thema die Sportlerinnen und Sportler beschäftigt. Zum Abschluss gibt Martin Narozny dem Publikum noch die folgenden Merksätze mit auf den Heimweg:
- Schmerz ist ein Schutzmechanismus des Körpers, den man nicht ignorieren soll.
- Ursachen für Schmerz sind sehr unterschiedlich.
- Ein Training unter moderaten Schmerzen ist unter Umständen möglich.
- Diese Warnsignale (Red Flags!) unbedingt zu beachten und damit soll man den Arzt oder die Ärztin aufsuchen: Gelenkschwellungen und Blutergüsse, Ruheschmerzen, Gelenkblockaden, Instabilität, Gelenkentzündungen.
- Entzündungshemmer sind in der Rehabilitation nach einer Verletzung ok, deren Einsatz in Trainings oder an Wettkämpfen (v.a. im Breitensport) ist zu hinterfragen.
Die Präsentation zum Vortrag wird auf Anfrage ausgehändigt.
Die Aufzeichnung des Vortrags ist hier gespeichert.
Bericht von Thomas Borowski
Bilder von Adrian Villiger