Pro & Kontra: Training für ein Ziel

4. April 2022

Pro

Claudio Zemp würde ohne einen gebotenen Anlass keinen Schritt tun. Er gehört zu denen, die sich systematisch etwas vornehmen müssen. Und ja, manchmal ist es auch etwas zu viel. 

«Ohne Preis, kein Fleiss» lautet mein Motto. Wenn mir niemand ein Rüebli vor die Nase bindet, mache ich Esel keinen Schritt. Das Gute daran ist, dass ich das weiss. Denn im Umkehrschluss gilt für mich: Man muss mir nur ein Rüebli vor der Nase baumeln lassen und ich trainiere fleissig und unermüdlich wie ein Energy-Häschen. 

Natürlich gibt es trotzdem Tage, wo einem die Morgenroutine nicht mühelos gelingt. Was also hilft ein Ziel, wenn du am Morgen gerädert erwachst und dich fragst: Wozu das alles?! Eben, dann hast du die Antwort: Das Rüebli! Du kennst den Grund, wieso du leiden sollst. Ein Ziel ist ein Grund und so etwas wie ein Hund, den man täglich ausführen muss. Es ist einfach so. Weil ich kein Haustier habe, habe ich mein Rüebli und gehe mit dem inneren Schweinehund Gassi.

Achtung vor dem Selbstbetrug! Mit Fantasie und Raffinesse kann man ein Ziel einfach ersetzen und sich selber linken. Jedoch aus Erfahrung weiss ich, dass es viel schmerzhafter ist, untrainiert und unvorbereitet am Tag X am Start zu stehen. Horror. Also stelle ich mir lieber mein Rüebli als Feldweibel vor, der mich morgens säuselnd weckt und motiviert. Das ersetzt das Boot Camp und die Motivations-App. 

Wenn man etwas faul und vergesslich ist wie meinereiner, kann es sein, dass man das Ziel aus den Augen verliert. Man gerät ins Hadern, ich sage dem Muskelkater der Motivation. Deshalb habe ich mir mein Rüeblimotto aufs Kopfkissen gestickt, mit dem Datum des Wettkampftags, damit ich vor dem Schlafengehen schon weiss, wieso ich am nächsten Tag auch wieder froh aufstehe. 

PS: Ein Ziel hat den guten Nebeneffekt, dass man Ende Saison den Erfolg daran messen kann. Selbst wenn man es nicht erreicht, hat ein Ziel seine Pflicht erfüllt. Scheitern ist voll okay - setz dir nächstes Jahr einfach ein realistischeres...


Kontra

Thomas Borowski geniesst es, dass in seinem Leben Sport der Bereich ist, der nicht auch noch dem allgegenwärtigen Zieldiktat unterworfen ist. Sport ohne Ziel ist für ihn Vergnügen und Erholung zugleich.

Zielstrebig, zielorientiert, zielgenau… und wie sie nicht alle heissen, diese strebsamen Adjektive nach dem einzig richtigen Ort, den es heute um jeden Preis zu erreichen gilt. Dem Nirvana des eingeschlagenen Weges, dem wir im Alltag immer wieder alles unterordnen, nur damit wir das gesteckte Ziel auf jeden Fall auch erreichen. Und eines ist ja sonnenklar – vor dem Ziel scheitern liegt nicht drin. Da ist der Druck gross, der dafür in Kauf genommen wird. Aber man hat ja schliesslich Kraft und Ausdauer… wäre doch gelacht, wenn die Ziellinie nicht in Bestzeit überquert würde.

Was im beruflichen und gesellschaftlichen Alltag heute die Norm ist – nämlich Ziele um jeden Preis zu erreichen, koste es, was es wolle –, hat in meiner Freizeit nichts zu suchen. Sport gehört zu meinen Freizeitvergnügen, mit Betonung auf Vergnügen. Hier bestimme ich, was Sache ist und Spass macht. Wettkampfsport und die Jagd nach Bestmarken oder Rekordzeiten sind schwache Erinnerungen an ungestüme Jugendjahre. Wenn mir heute Hobbysportlerinnen und -sportler von Trainingsplänen berichten, um die von einem Coach vorgegebenen Ziele zu erreichen, dann frage ich mich schon: Warum tut man sich das heute noch an? Haben wir alle nicht schon genug Alltagsdruck, als dass wir uns in der Freizeit freiwillig noch mehr davon aufbürden sollten?

Mir persönlich reicht es vollkommen, Sport um des Sportes Willen auszuüben. Ich ziehe es viel lieber vor, die Joggingrunde nach meinem Gusto zu gestalten, die Route nach Lust und Laune mal urban, mal ländlich zu wählen, den Zeitmesser daheim zu lassen und einfach loszulaufen. Es gibt nichts Schöneres, als beim zwanglosen Sport alles um einen zu vergessen und den Kopf zu lüften. Diese Art von ziellosem Sport ist es, die mir am besten dazu dient, den zielorientierten Alltag beinahe zu vergessen. «Mens sana in corpore sano», heisst es nicht von Ungefähr, oder?!

 

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