Pro & Kontra: Braucht es Sound zum Training?

7. Juni 2021

Pro

Claudio Zemp, 46, tanzt oft beim Staubsaugen, hört Rock beim Abwasch und muss sich beherrschen, um auf dem Spielfeld nicht laut zu singen. Er schätzt es darum, wenn der Takt klar vorgegeben ist.

„Organized Noise“ hiess die angesagte Schulband in dem Dorf, wo ich aufwuchs. Sie waren laut, grob und grottenschlecht. Heavy halt, wie es war, damals in den Neunzigern auf dem Land, hart an der Grenze zum Aargau. Die Alternative hiess Rap, es war des Teufels. Zum Glück ist mein Weltbild heute differenzierter und es gibt mehr Auswahl und Nuancen.

Gut ist der richtige Sound zu jeder Tätigkeit: Wenn der Lehrer eine CD in die Stereoanlage der Turnhalle einlegte, traf er eine Wahl. Das gilt heute: Der Trainer gibt den Takt vor, damit die Lektion den Teilnehmenden leichter fällt. Musik hebt die Laune und den Mut. Man geht folglich mit dem richtigen Sound im Ohr frohgemut an die körperlichen Grenzen. Was der Zweck des Trainings ist und den Zielen dienlich.

Ein weiterer Vorteil, wenn nicht nur Keuchen und Stöhnen das Gym beherrscht, ist die Inspiration durch den Text. Jedes Lied hilft dem Geist auf die Sprünge, regt zum Denken und Abschweifen an. Denn wir schwitzen ja nicht nur für die Schule, sondern auch fürs Leben, für Brain, Body and Soul. Wenn wir uns schon schinden, soll es wenigstens ein bisschen Spass machen.

Deshalb habe ich mir angewöhnt, auch beim einsamen Einzeltraining meine Playlist zu spielen. Es gibt eine fürs Joggen und eine fürs Dehnen. Abends zu den Gutenacht-Liegestützen höre ich einen Podcast oder lasse ein Hörbuch laufen. Und wenn das Tagessoll geschafft ist, dann ist es auch mal gut: Schön still und ruhig.

 

Kontra

Thomas Borowski, hat nichts gegen Powermusik im Kondi, mag es aber nicht, wenn Individualsportlerinnen und -sportler sich mit Airpods von ihrer Aussenwelt abkapseln.

Ja, ja, ich weiss: Musik wirkt im Sport motivierend und kitzelt aus manchen von uns Sportreibenden die letzten Reserven raus. Und auch ich habe im Superkondi schon mitgejauchzt und im Rhythmus geklatscht – auch wenn ich mir dabei etwas blöd vorkam, plötzlich Teil dieses schwitzenden und keuchenden Herdentriebes zu sein. Musik im Sport ist nicht zu unterschätzen, das ist mir vollkommen klar... aber!

Mir ist natürlich auch bewusst, dass zahlreiche Studien wissenschaftlich belegen, dass Musik sowohl psychische als auch physische Wirkungen auf die Sporttreibenden haben kann. Zumindest ist gemeinhin anerkannt, dass Musikhören die Bereitschaft zu körperlichem Training erhöht und die persönlich wahrgenommene Anstrengung senkt... aber!

Aber... was ich nicht mag, ist mein (zugegeben sehr persönlicher) Eindruck, dass sich immer mehr Sporttreibende von ihrer Umgebung distanzieren, indem sie ihre Gehörgänge zustöpseln. Es ist mir schon oft passiert, dass ich auf der Joggingrunde jemanden freundlich gegrüsst habe und das Gegenüber einfach stumm an mir vorbeigerannt ist.

Und wenn ich dann im Freundeskreis von Singlepersonen verwunderte Bemerkungen höre, dass man beim Sport niemanden kennenlernen kann, dann überrascht mich das nicht. Wer mit Airpods einsam joggt, Inline skatet oder Velo fährt, der muss sich doch nicht wundern, dass man nicht angesprochen wird – wie auch? Die Abschottung von der Aussenwelt ist ganz und gar selbstverschuldet.

Deshalb meine Forderung an alle einsam Sporttreibenden: Freiheit für eure Ohren und neue Offenheit der Umgebung gegenüber! Ich bin sicher, das Abrollgeräusch der Laufschuhe oder der säuselnde Fahrtwind in den Ohren haben genauso motivierende Wirkung wie der Sound aus der Konserve. Und was ganz sicher ist: Die Chance, mittels Umgebungswahrnehmung beim Sport neue Erfahrungen zu machen, ist ohne Airpods deutlich grösser als mit.

 

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