Trainingslager - sinnvoll oder Zeitverschwendung?

26. August 2019

Pro

Thomas Borowski, hat in seinem Leben mehr als ein Dutzend Trainingslager absolviert und keines davon bereut, dem Trainingseffekt und sozialen Teambuilding sei dank.

Wenn ich heute daran zurückdenke, wie ich mich als junger Leichtathlet auf die Trainingslager im Frühling gefreut habe, hüpft mir heute noch das Herz. Die Erinnerungen an diese immer sehr speziellen Trainingswochen irgendwo in südlichen Gefilden – weitab vom kühlen Schweizer Hudelwetter – sind heut noch sehr lebhaft und überaus positiv. Das Trainingslager gehörte in unserer Saisonplanung immer als ersehnter Fixpunkt dazu. Denn nach den langen Herbst- und Wintertagen, mit Trainings in der Halle und im Schneematsch auf der Rundbahn, lockte das Trainingslager mit Wärme und Sonne.

Als wenig vermögender Club führten unsere Trainingslagerfahrten nicht weiter als in die Toskana oder an die Costa Brava. Dort war die gemeinsame Woche für alle immer in zweierlei Hinsicht wertvoll: Einerseits hob die intensive Trainingswoche unsere körperliche Verfassung meist auf ein höheres Level, was in der darauffolgenden Freiluftsaison neue Bestleistungen einbrachte. Andererseits genossen wir es als Einzelathleten – die Leichtathleten in der Regel nun mal sind –, in der Trainingsgemeinschaft und in der Freizeit des Lagerlebens unsere Freundschaften zu vertiefen. In den trainingsfreien Zeiten besuchten wir zudem immer die lokalen Sehenswürdigkeiten: den schiefen Turm von Pisa, die Altstadt von Venedig oder die Discos von Lloret de Mar, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und ja, es gab während den Trainingslagern mit anderen Athletinnen und Athleten internationaler Clubs auch mal die eine oder andere Liebelei... Lagerleben eben!

Unschwer zu erkennen, dass ich Trainingslager aus vielerlei Gründen einen dicken Pro-Stempel aufdrücke und sie allen empfehle. Und hej, kaum vorstellbar, welch tolle Posts ich heute aus den Lagern verschicken könnte! Ich sehe sie schon vor mir: #Supertrainingslager #Toskana #hot #workout #loveit.

  

Kontra 

Claudio Zemp, hasst Pauschal- und Gruppenreisen. Deshalb kann er auch am diesjährigen Trainingslager leider nicht teilnehmen. Und Einzelarbeit bringt sowieso mehr.

Jeder Sport hat seine Saison. Fussballer brauchen in der Vorbereitung ein Trainingslager mit Drill. Sie schätzen auch gemeinsame Teambuilding-Ausflüge und soziale Aktivitäten. Weil sonst alle nur auf der faulen Haut liegen oder nicht wissen, was tun. Im Eishockey dagegen nutzt jeder die Sommerpause individuell. Eishockeyanerinnen wissen am besten, was sie brauchen, um beim Saisonstart fit zu sein. Bis zu den Playoffs gibt es dann noch genug Ernstkämpfe in der Gruppe mit kollektiven Lerneffekten.

Persönlich mag ich ab und zu Pritschen im Massenlager vertragen. Ich habe auch nichts gegen Unterhaltungsabende und kollektiven Small Talk an der Hotelbar. Aber es ist nicht immer alles Jupidu und Heirassa. Darum soll man auch nicht alles mitmachen, nur wegen des Gruppendrucks. Oder weil es die Clubleitung so will. Wenn also die Einladung für ein Trainingslager kommt, muss ich leider absagen. Sorry. Das braucht ein bisschen Mut, weil Schwänzen natürlich nicht populär ist. Es gibt aber Gründe, wo auch die Teamkameraden nicht nachfragen, wieso man nicht mitkann: Ein peinlicher Badezimmerunfall, ein Termin für den Deal des Jahres oder der Geburtstag des Göttikinds.

Während die anderen im Lager also ihre Zeit vergeuden, scheut der Individualist daheim keine Kollektivstrafen, die er riskiert. Wird er den Stammplatz gegenüber den beflissenen, opferbereiten Kameraden verlieren? Es ist möglich, hängt aber auch davon ab, wie man die Zeit zuhause nutzt. Nun kann man endlich das persönlich Stretching-Programm durchziehen, wenn es so schön ruhig ist, weil alle anderen weg sind. Eine kurze Auszeit bringt mehr als Übertraining. Und jetzt ist die Zeit, um daran zu arbeiten, die grösste Schwäche auszubügeln: Das Schlafmanko.

 

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