Rituale

5. März 2018

Wecker klingelt, Autopilot startet. Die ersten drei Schritte im Blindflug zum Fenster, Frischluft braucht der Morgen. Weiter in die Küche, den Herd an, Macchinetta muss Kaffee machen. Dann ins Bad, Kaffee schmeckt besser mit gewaschenem Gesicht. So startet jeder Morgen. So muss er werktags sein.

Warum eigentlich? Ich stelle mir vor, wie es wäre, mir nach dem Aufwachen überlegen zu müssen: Und jetzt? Was für ein unendlicher Zeitverlust, wie unglaublich ineffizient! Mein Gehirn arbeitet frühmorgens weder spontan noch speditiv, geschweige denn beides gleichzeitig. Vor acht Uhr morgens funktioniert die Motorik, wenn sie denn eingespielt ist. Da passiert wunderbares Abspulen, für die Kür nehme ich mir gern später Zeit. Ich bin bestimmt nicht die Einzige, der persönliche Rituale den Tag erleichtern, denn sie geben Struktur und Sicherheit. Mehr noch – Rituale machen den Tag produktiver, weil sie Entscheidungen, wo immer möglich, eliminieren:

Weil Entscheidungen treffen (…) anstrengend ist und wir schlechter darin werden, je öfter am Tag wir das tun, sollte man Entscheidungen vermeiden, wo es nur geht. Deshalb trugen Steve Jobs und Barack Obama auch immer dieselben Klamotten im Job.“ (Stabile Morgenlage von Nina Anika Klotz)

Erfolgreiche Personen wie Jobs und Obama sparen sich die Denksportübungen also für die wichtigen Themen auf dem Tagesprogramm, indem sie triviale, sich wiederholende Abläufe routiniert und deshalb mit geringem Aufwand erledigen. Macht Sinn.

Rituale und Routinen liegen nah beieinander, gleich neben den Gewohnheiten. Wo Gewohnheiten aber oft negativ behaftet sind, weil sie für viele Langeweile bedeuten oder Routinen sogar gefährlich sein können, weil gewohnte Handgriffe gar unüberlegt ausgeführt werden, birgt das Ritual etwas Feierliches: Ein Ritual ist ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung; Zeremoniell“ (Duden). So wird das Ritual positiv aufgefasst und in den Alltag eingebettet: Als Aktivität, die nicht einschläfernde Gewohnheit ist, sondern ein bewusst gewählter, individuell definierter Usus, der gerne ausgeführt wird und dem Leben ein Gerüst und somit Halt gibt.

Das Schöne ist: man kann alles, was hilft, den Tag zu bewältigen, zu Ritualen machen. Und sowieso alles, was Spass macht. Sich strecken im Bett und zwar ausgedehnt. Atemübungen, um überhaupt Luft zu bekommen. Wetter checken, Zeitung durchblättern, Bett machen, den Tag im Kalender durchgehen. Und Sport.

Als Ritual kann der Sport durchaus gelten, so ist er bestimmt in vielen Köpfen fixiert, in meinem auch. Wenn immer möglich einmal pro Tag sportlich sein, am liebsten am Morgen. Dann weiss ich, dass ich vom Pischi gleich in die Trainingskluft steigen kann, es sind noch nicht so viele Leute unterwegs, der viel zitierte Kreislauf wird angekurbelt und danach kann kommen, was wolle - ich bin bereit. Ich habe Sport bewusst in meinen Plan integriert, weil dadurch mein Tag in Form ist, er mir gut tut und Spass macht.

Dass Rituale nicht so eng aneinander geknüpft werden, dass kein Platz für Spontaneität mehr besteht, ist zu empfehlen. Ein lückenloser Kalender kann beengen, selbst wenn er aus lauter Ritualen besteht.  Wobei: Jeder ist hier zum Glück frei und erlaubt ist, was gefällt.

Rebecca Costabile, ASVZ-Mitarbeiterin

 

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